Auf Hüttento(rt)ur in den Lechtaler Alpen

Bevor unsere jugendlichen Kinder gar nicht mehr mit der Familie verreisen würden, wollten ein paar Eltern der Familiengruppe 2 unbedingt noch eine Hüttentour machen; für einige die erste überhaupt. In der Hoffnung, dass unsere widerwilligen Teenager einem solchen Erlebnis insgeheim auch etwas Positives würden abgewinnen können (wovon wir natürlich nie etwas erfahren würden!), sind wir in der 3. Juliwoche mit 7 Erwachsenen und 6 Mädchen (9/11/13/3*14 Jahre alt) nach St. Anton am Arlberg aufgebrochen.

Die ersten 1000 Höhenmeter haben wir (den Kindern zuliebe) bequem mit der Seilbahn überwunden (Gampen- und Kapallbahn), und so war am Anreisenachmittag der Weg zur Leutkircher Hütte nur kurz – theoretisch zumindest. Tatsächlich haben uns die ungewöhnlich vielen Schneefelder ziemlich ausgebremst, und auch sonst war der Weg anspruchsvoller, als wir erwartet hatten.

Am 2. Tag ging es in dichtem Nebel los zum Kaiserjochhaus, ebenfalls eine kurze Strecke. Unterwegs holte uns auch der allein angereiste Erwachsene ein, der wegen Bahnchaos am Vortag zu spät in St. Anton angekommen war und kurzerhand an einer Bushaltestelle übernachtet hatte, da er für nur eine Nacht kein Zimmer bekommen konnte.

Am Kaiserjochhaus angekommen, sahen wir zu unserer Überraschung, dass der für den nächsten Tag vorgesehene Weg (über Kridlonkar und Klämmle) schwarz markiert war – das wollten wir doch grundsätzlich vermeiden! (Wieso kann man die „offiziellen“ Schwierigkeitseinstufungen eigentlich nur vor Ort auf Schildern ablesen und nicht im Internet?)

Nun gut, dann nehmen wir am 3. Tag zur Frederick-Simms-Hütte stattdessen halt einen rot markierten, längeren Weg. Das schaffen wir schon, auch wenn es viel mehr Höhenmeter und Strecke sind! Und zunächst war der Weg auch wirklich schön: Runter zur Alpe Kaisers, dann wieder 900 Höhenmeter rauf zum Kälberlahnzugjoch (2585 m), das alles bei tollem Wetter mit Bächen, Wiesen, Blumen, Kühen und nur wenig Schotter und Geröll. Dann ein wenig Kletterei, ein riesiges Schneefeld (was bedeuten eigentlich die Pinne mit dem Stoff da hinten?), alles ok.

Und dann der nächste Wegweiser: Der weitere Weg ist schwarz! Na super. Es hatte keinen Abzweig gegeben; nur die Zuständigkeit der Wegemarkierung war zu einer anderen Sektion gewechselt – und die legt wohl andere Maßstäbe an. Egal, es ist schon 16 Uhr, wir können nicht mehr zurück, wir müssen diesen ätzenden, steilen, langen Geröllhang zur Simmshütte trotzdem runter. Wenn der bloß das einzige Problem geblieben wäre ...

Kurz vor der Simmshütte hatten wir dann ein wirkliches Problem: Unsere Vorhut, 2 Teenager und ein Vater, hatten mit angesehen, wie ein Wanderer direkt vor ihnen auf einem kleinen Schneefeld ausgerutscht war, bis zu einem Schneeloch direkt über einem Bach, und darin komplett verschwunden war. Für einen viel zu langen Moment rechneten alle mit dem Schlimmsten. Zum Glück kam er allein wieder raus, nur leicht verletzt. Aber der Schock bei den Augenzeugen saß so tief, dass ein Überqueren des Schneefeldes unmöglich war.

Karin ging beherzt hinüber und holte Hilfe von der Hütte: Ein Mitarbeiter („Aus Florida??? Was macht der freiwillig hier in den Bergen??“) und zwei Gäste haben mit uns nach Alternativen zum Schneefeld-Queren gesucht (erfolglos) und mit ihrer Besonnenheit einer Seilsicherung geholfen, dass jeder in der Gruppe sich letztlich getraut hat, das Schneefeld zu überqueren. Um 20:00 Uhr kamen wir alle sehr aufgewühlt und erschöpft an der Hütte an.

Am 4. Tag wollten wir eigentlich zu unserer letzten, der Ansbacher Hütte. Aber der Weg hätte als erstes wieder zurück über das Schneefeld geführt – das war für einige nach den Ereignissen des Vorabends nicht mehr vorstellbar. So haben wir entschieden, alle gemeinsam die Tour einen Tag früher zu beenden, und sind über die Sulzlalm nach Stockach im Lechtal abgestiegen. Das jüngste Kind war darüber total traurig, ebenso wie einige der Erwachsenen, aber den Teenagern kam es vermutlich entgegen. Falls die Teenies die Hüttentour doch als Bereicherung angesehen haben, dann haben sie das tief in ihrem Herzen bewahrt ...
Ja, und so kamen wir dazu, schon zwei Tage vor Beginn der Feierlichkeiten zum Gepatschhaus anzureisen.

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