JuMa-Hochtour Urner Alpen

Eine Gratwanderung mit Hindernissen..


Freitag 18. September 2020, 4:30 Uhr, Urner Alpen, Schlafquartier Voralphütte. Aus den Hüttenschlafsäcken schälen sich: Andre, Rafa, Patrick, Melanie und Jonas. Das Ziel: Besteigung des Sustenhorns via Ostgrat. Nach einem kurzen Frühstück mit den Bergführern ziehen wir im Schein unserer Stirnlampen los. Die Brücke über den Bach ist trotz Dunkelheit schnell gefunden. Auf der anderen Seite angekommen, bereitet uns der am Vortag ausgekundschaftete Weg über die Moräne bis zum Einstieg der ersten Kletterpassage keine Probleme. Immer noch im Dunkeln üben sich Rafa und Patrick als erste Seilschaft an gemütlicher warm-up Kletterei im 3. Grad. Den festen Fels, den wir hier vorfinden, werden wir später noch zu schätzen wissen. Bis auch Seilschaft zwei, bestehend aus Andre, Melanie und Jonas, aufgewärmt sind, ist die Sonne aufgegangen und offenbart den Blick auf den bevorstehenden Weg. Der Gletscher weist uns in Form eines Abbruchs lautstark und visuell beeindruckend auf seine Beweglichkeit hin. Wir fühlen uns im alpinen Gelände willkommen geheißen und sind froh das Spektakel aus sicherer Entfernung beobachten zu dürfen. Unserem Ziel liegt zum Glück etwas stabileres Eis im Weg. Trotzdem erweist sich der folgende Abschnitt, der in älteren Tourenberichten oft nur mit einem Nebensatz als „leicht zu überquerendes Firnfeld“ erwähnt wird, als nicht trivial: Uns präsentiert sich das „Firnfeld“ aus den Berichten als unübersichtliches Spaltenlabyrinth. Geschlagene zwei Stunden und einen Aufbaukurs in „Gletscherakrobatik unter Eisschraubeneinsatz“ später, haben wir den Einstieg auf den Grat erreicht und die Frage „Abbruch oder langer Tag?“ überwunden. Glücklich bald wieder festen Boden unter Händen und Bergschuhen zu haben, begutachten wir die Schlüsselstelle der Einstiegsseillänge. Diese ist, je nach dem welche Topo man zu Rate zieht, irgendwo zwischen „UIAA 4“ und „französisch 4c“ zu bewerten. Als Alpinist nimmt man das freilich nicht so genau: „Wenn man es in Bergstiefeln klettern kann ist es maximal ein vierer!“, rezitiert Andre eine alte Hochtourengeherweisheit. Patrick scheint von dem in luftiger Höhe glänzenden einzelnen Bohrhaken besonders angezogen zu sein. Großzügig überlassen die anderen ihm den Vortritt. Kletterschuhe hat niemand anziehen müssen, daher einigen sich die Nachsteigenden später auf den Bewertungskonsens „schwere 4“. Auf dem Grat wechselt sich Kletterei mit Gehgelände ab. Wir finden schöne Kletterei, leicht brüchiges Gelände, sehr brüchiges Gelände und eine Schuttrutsche. Die in der Tourenbeschreibung beworbenen Standplätze und Haken suchen wir hingegen mehrmals vergebens. Nach insgesamt 1400 erklommenen Höhenmetern ist Andre der erste der das Gipfelkreuz des Sustenhorns zu Gesicht bekommt. Unter dem Gipfelkreuz vernichten wir letzte Vorräte und nutzen den exzellenten Empfang in 3503m Höhe um unsere Zielhütte zu informieren, dass es bei uns wahrscheinlich etwas später wird.

Denn beim Erstellen der Packlisten für die Tour muss uns ein Fehler unterlaufen sein: So haben wir, entgegen dem aktuellen Bergsteigertrend, keine Gleitschirme dabei und müssen den Weg nach Unten, auf traditionelle Weise antreten. Zwischen uns und der Hütte liegen der Steingletscher und 1300 Höhenmeter. Steigeisen unter den Füßen und wieder angeleint erreichen wir beim Gedanken an Abendessen Höchstgeschwindigkeit und können den Gletscher noch bei Licht hinter uns lassen. Zu gefüllten Mägen ist es allerdings noch ein weiter Weg. Mit Einbruch der Dunkelheit bestätigt uns, zur Erleichterung aller, das Leuchten der Hütte, dass wir der Suppe näherkommen. Knurrende Mägen weisen uns außerdem darauf hin, dass das auch Zeit wird. Etwa 15 1/2 Stunden nach dem Frühstück bekommen wir auf der Chelenalphütte, die mit dem HüttenwirtInnen-Paar Petra & Remo exzellent besetzt ist, eine extra große Portion von allem serviert. Während wir enthusiastisch verlorene Kalorien gutmachen, düst Batman durch die Hüttenstube. Batman, man munkelt hinter der Geheimidentität verbirgt sich womöglich eines der Kinder der beiden, ist offenbar noch viel zu wach für die angeordnete Hüttenruhe. Im Gegensatz zu Batman sind wir vom Abendessen vollständig erschöpft und fallen von den Sitzbänken direkt in unsere Hüttenschlafsäcke.

Bericht: Jonas Mahn

Fotos: Teilnehmer der Gruppe

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