Alle haben dasselbe Ziel: Die Wand zu erklimmen.Eine Helferin berichtet aus der KLETThERAPIE

Von Annika Brod

Vor fünf Jahren habe ich mit dem Klettern begonnen. Bei der KLETThERAPIE bin ich allerdings noch sehr neu: Letzten Sommer half ich bei ein paar Terminen, aber erst seit dem Herbstkurs 2018 bin ich richtig dabei. Ich kann mich noch sehr genau an den ersten Termin erinnern, bei dem ich half und vor allem an das Gespräch mit Monika am Schluss: „Ich sehe bei dir ist der Funke schon übergesprungen“ sagte sie und so war es auch. Schon jetzt ist es für mich fast komisch einen Freitagnachmittag ohne diese aktive und lebensfrohe Klettergruppe zu verbringen. Aber warum? Was macht diese Gruppe so besonders?

Ich denke, dass es dafür viele Gründe gibt. So beeindruckt mich z.B. wie selbstverständlich hier geklettert wird und wie gut miteinander umgegangen wird; Wie aufmerksam die Teilnehmenden und die Helfenden sind. Das ist bei den Gruppen in unserer DAV Halle keineswegs selbstverständlich. Viele klettern drauf los, ohne darauf zu achten was in den Nachbarrouten passiert. Viele Grüßen nicht und benehmen sich so, als gehöre die Halle ihnen. Ein solches Verhalten ist mir in der KLETThERAPIE noch nie begegnet. 

Die Gruppe ist sehr heterogen. Beim Klettern haben, wie in jeder anderen Klettergruppe auch, alle unterschiedliche Voraussetzung, aber dasselbe Ziel: Die Wand zu erklimmen. Bei der KLETThERAPIE ist die Spanne dieser unterschiedlichen Voraussetzungen besonders groß und trotzdem können alle teilhaben. Alle freuen sich gemeinsam zu Klettern. So sind alle für einander eine Bereicherung und das spürt man sofort, wenn man die Schulungshalle betritt, in der sich die KLETThERAPIE Gruppe immer trifft.

Es ist natürlich auch eine Freude anderen Menschen zu helfen. Das Schöne an der KLETThERAPIE ist allerdings, dass alle nach ihren eigenen Möglichkeiten und Voraussetzung teilhaben können. Dabei wird darauf geachtet, dass die Teilnehmenden so selbstständig wie möglich klettern. So lernen sie z.B. je nach Möglichkeit sich selbst einzubinden und wenn sie wollen, können sie auch lernen zu sichern. Natürlich wird auch beidseitig der Partnercheck durchgeführt. Das heißt beide Seiten tragen die Verantwortung, nicht nur der Helfer oder die Helferin. So tritt das Helfen in den Hintergrund und die Teilhabe aller in den Vordergrund.

Jacob* zum Beispiel kann sich alleine nicht besonders gut Bewegen. Was seine genaue Diagnose ist, ist mir nicht bekannt. Zum Klettern trägt er einen Hüft- und eine Brustgurt, damit er beim Aufstieg nicht hintenüber kippt. Dabei wird er sowohl von seinem Betreuer unterstützt, als auch von einer der helfenden Personen. Sein Betreuer hilft ihm dabei die Füße auf die Tritte zu setzten. Die helfende Person klettert neben her und unterstützt ihn dabei die Griffe zu greifen und später auch die Füße zu setzten. Dabei muss immer wieder pausiert werden, denn Jacob bricht in Freude aus: Er macht sich steif, lacht und klatscht. Mittlerweile schafft er es schon immer besser die Griffe selbst zu greifen und so die Wand zu erklimmen.

Ludwig* ist blind. Er erzählte mir, dass Klettern für ihn sei, als würde er mit dem Raumschiff durchs Universum reisen, wenn er die Wand hochklettere. Während er klettert, setzt er sich immer wieder ins Seil und klopft darauf. An der Spannung kann er abzuschätzen wie hoch er ist: „Die Sehenden sehen ja wie hoch sie sind“. Ludwig hört wie hoch er ist. Er klettert auch in der großen Halle. Dort möchte er es alleine schaffen. Er klettert bunt und sucht sich seinen eigenen Weg nach oben. Hilfe, also z.B. auf Zuruf klettern, möchte er nicht. Oben anzukommen ist für ihn sehr wichtig. Für ihn ist es ein tolles Erlebnis eine Route alleine ganz bewältigt zu haben.

Für mich ist es eine absolute Bereicherung an der KLETThERAPIE teilzuhaben. Es freut mich zu sehen, wie viel Spaß die Beteiligten haben, und dass alle so motiviert dabei sind. Super, dass es solch tolle Angebote in unserer schönen Frankfurter DAV Halle gibt. Die Teilnehmenden können beim Klettern nachhaltig ihre Koordination trainieren und ihr Körpergefühl entwickeln. Die beim Klettern erfahrenen Erfolgserlebnisse und das damit verbundene gesteigerte Selbstbewusstsein können sie auch aus der Halle in ihr Alltagsleben mitnehmen. Da mich diese Ansätze sehr interessieren, will ich sie in meiner Examensarbeit für das Förderschullehramt vertiefen.

 

 

* alle Namen wurden geändert

Text: Annika Brod

Fotos: Wolfram Bleul

zurück